Komplementäre und
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Lebensstilveränderung gegen Demenz

Lebensstilveränderung gegen Demenz

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Demenz Ernährung Mind-Body-Medizin

Das sogenannte Mild Cognitive Impairment (MCI) gilt als Vorstufe zur Demenz. Dean Ornish und sein Team prüfen, ob eine intensive Anpassung der Lebensweise das Fortschreiten der MCI aufhalten und somit einer Demenz vorbeugen kann. (1)

Kürzlich hat eine Lancet-Kommission zwölf beeinflussbare potenzielle Risikofaktoren identifiziert, die zusammen für etwa 40% der weltweiten Demenzerkrankungen verantwortlich gemacht werden. (2) Viele von diesen, darunter Bluthochdruck, Rauchen, Depression, Diabetes Typ 2, Übergewicht, Bewegungsarmut und soziale Isolation, erhöhen auch das Risiko für koronare Herzerkrankungen. So erscheint es nur konsequent, dass sich Dean Ornish mit einer randomisierten kontrollierten Studie zurückmeldet. Ornish, der vor allem für seine Arbeiten zur Lebensstilveränderung bei koronarer Herzkrankheit (3) bekannt ist, untersucht nun, ob eine intensive Anpassung der Lebensweise auch einer Demenz vorbeugen kann.

Studiendesign

Insgesamt 51 PatientInnen mit MCI oder in einem frühen Stadium der Demenz (MoCa-Score 18 oder höher, Aβ42/40-Verhältnis <0.089) wurden in die Studie eingeschlossen und in zwei Gruppen randomisiert. 26 ProbandInnen bildeten die Interventionsgruppe, 24 von ihnen (zwei Studienabbrüche) absolvierten über 20 Wochen ein intensives Lebensstilprogramm. Die 25 ProbandInnen in der Kontrollgruppe wurden angehalten, über die Dauer von 20 Wochen ihren üblichen Lebenswandel nicht zu verändern. In beiden Gruppen behielten die Teilnehmenden die Standardbehandlung durch ihre Neurologin oder ihren Neurologen währenddessen bei.

Demenz

Demenz

Naturheilverfahren und Ordnungstherapie – Vorbeugung, Linderung von Symptomen und Steigerung der Lebensqualität

Annette Kerckhoff · Johannes Wilkens

ISBN: 978-3-945150-95-5
Erscheinungsjahr: 2018, 2. Aufl.

6,90 EUR

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Lebensstilprogramm mit vier Säulen

Das Lebensstilprogramm (4) fußte auf vier Säulen. Zur Ernährung diente eine wenig verarbeitete vegane Vollwertkost, reich an komplexen Kohlehydraten. Supplementiert wurde mit Omega-3-Fettsäuren, Kurkumin, Coenzym Q10, Magnesium L-Theronat, Hericium erinaceus, Bifido Probiotika, Vitamin C, Vitamin B12, Multivitaminen und Mineralien. Als tägliche Bewegung kam mindestens 30 min. Aerobic zum Einsatz, ergänzt durch mildes Krafttraining, mindestens dreimal wöchentlich. Zum Stressmanagement wurde eine Stunde täglich meditiert, Yoga-Posen eingenommen oder Stretching, Progressive Muskelentspannung, Atemübungen oder Visualisierungen durchgeführt. In Form von Unterstützungsgruppen kamen die Teilnehmenden und ihre PartnerInnen außerdem dreimal in der Woche für eine Stunde zusammen. Zusätzlich gab es dreimal in der Woche Zoom-Meetings von je vierstündiger Dauer, in denen die Interventionen vertieft wurden.

Unterschiede: ADAS-Cog, CGIC, CDR-SB, CDR Global

Vier Tests wurden genutzt, um Veränderungen in Kognition und Funktion zu erfassen: Alzheimer’s Disease Assessment Scale – Cognitive Subscale (ADAS-Cog), Clinical Global Impression of Change (CGIC), Clinical Dementia Rating Sum of Boxes (CDR-SB) und Clinical Dementia Rating Global (CDR Global). Nach den 20 Wochen zeigten der CGIC, CDR-SB und CDR Global signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen, der Unterschied im ADAS-Cog war an der Grenze zur Signifikanz. CGIC, CDR Global und ADAS-Cog zeigten die Lebensstilgruppe insgesamt in Kognition und Funktion verbessert, während die Kontrollgruppe sich verschlechtert hatte. Im CDR-SB zeigte sich eine deutlich verringerte Progression der Beeinträchtigung in der Lebensstilgruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe.

Unterschiede: Aβ42/40, Mikrobiom

Unterstützt wird dieses Ergebnis durch einige Befunde klinisch relevanter Biomarker: So erhöhte sich das Aβ42/40-Verhältnis in der Lebensstilgruppe um 6,4%, während es in der Kontrollgruppe um 8,3% abnahm. Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, dass in der Lebensstilgruppe Amyloid vom Gehirn ins Plasma abgegeben wurde bzw. in der Kontrollgruppe eine höhere zerebrale Aufnahme von Amyloid stattgefunden hat – eine Vermutung, die auch in anderen Studien (5) schon geäußert wurde. Ebenso gab es eine günstige Veränderung in der Mikrobiom-Zusammensetzung in der Lebensstilgruppe. Die Zahl von Bakterien, die mit einem geringeren Risiko für Demenz assoziiert werden – etwa Blautia und Eubacterium – war angestiegen und die relative Häufigkeit von Bakterien, die vermutlich am Krankheitsgeschehen beteiligt sind – etwa Prevotella und Turicibacter – hatte abgenommen. In der Kontrollgruppe konnte hingegen keine günstige Beeinflussung des Mikrobioms beobachtet werden.

Einschätzung

Die vorliegende Studie gibt einen weiteren Hinweis darauf, dass das Demenz-Risiko ein Stück weit in den eigenen Händen liegt. Doch man muss tatsächlich aktiv werden: So kommen Ornish et al. zu dem Schluss, dass die positive Wirkung auf Kognition und Funktion in Korrelation mit der Einhaltung des auferlegten Lebensstilprogramms steht, d.h. je strikter sich ProbandInnen an den Plan hielten, umso mehr haben sie profitieren können – und das hier zugrunde gelegte Lebensstilprogramm ist durchaus zeitaufwändig und intensiv (siehe die beiden Studienabbrüche). Auch die Zahl der verordneten Supplementierungen ist beachtlich.

So führen die AutorInnen denn auch Abweichungen in der Therapietreue als mögliche Erklärung dafür an, weshalb nicht alle ProbandInnen in der Lebensstilgruppe gleichermaßen profitiert haben. Im CGIC-Test zeigten sich von den 24 Teilnehmenden im Detail nämlich 10 verbessert, 7 ohne Änderung und 7 verschlechtert. Insgesamt gesehen natürlich ein gutes Ergebnis im Vergleich mit der Kontrollgruppe (0 verbessert, 8 ohne Änderung, 17 verschlechtert), aber dennoch erklärungsbedürftig. Vielleicht spielen hier auch die kurze Interventionsdauer und/oder die kleine Probandenzahl eine Rolle.

Dass auch mit einer etwas weniger komplexen Intervention die kognitive Leistungsfähigkeit von Menschen mit MCI gesteigert werden kann, zeigt jedenfalls das von der Carstens-Stiftung geförderte Projekt BrainFit-Nutrition, in welchem Ernährungsumstellungen und kognitive Trainings miteinander verknüpft wurden. Der positive Effekt hielt hier bis zur Nachbeobachtung nach einem Jahr an.

Literatur zu "Lebensstilveränderung gegen Demenz"

1) Ornish, D., Madison, C., Kivipelto, M. et al. Effects of intensive lifestyle changes on the progression of mild cognitive impairment or early dementia due to Alzheimer’s disease: a randomized, controlled clinical trial. Alz Res Therapy 16, 122 (2024). DOI: 10.1186/s13195-024-01482-z. Link

2) Livingston G, Huntley J, Sommerlad A, Ames D, Ballard C, Banerjee S, Brayne C, Burns A, Cohen-Mansfield J, Cooper C, Costafreda SG, Dias A, Fox N, Gitlin LN, Howard R, Kales HC, Kivimäki M, Larson EB, Ogunniyi A, Orgeta V, Ritchie K, Rockwood K, Sampson EL, Samus Q, Schneider LS, Selbæk G, Teri L, Mukadam N. Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission. Lancet. 2020;396(10248):413–46. DOI: 10.1016/S0140-6736(20)30367-6. (Epub 2020 Jul 30. Erratum in: Lancet. 2023 Sep 30;402(10408):1132. PMID: 327389 PMCID: PMC7392084). Link

3) Ornish D, Scherwitz LW, Billings JH, Brown SE, Gould KL, Merritt TA, Sparler S, Armstrong WT, Ports TA, Kirkeeide RL, Hogeboom C, Brand RJ. Intensive lifestyle changes for reversal of coronary heart disease. JAMA. 1998 Dec 16;280(23):2001-7. doi: 10.1001/jama.280.23.2001. Erratum in: JAMA 1999 Apr 21;281(15):1380. PMID: 9863851. Link

4) Ornish D, Ornish A. UnDo It. New York: Ballantine Books; 2019.

5) van Dyck CH, Swanson CJ, Aisen P, Bateman RJ, Chen C, Gee M, Kanekiyo M, Li D, Reyderman L, Cohen S, Froelich L, Katayama S, Sabbagh M, Vellas B, Watson D, Dhadda S, Irizarry M, Kramer LD, Iwatsubo T. Lecanemab in Early Alzheimer’s Disease. N Engl J Med. 2023;388(1):9–21. DOI: 10.1056/NEJMoa2212948. (Epub 2022 Nov 29 PMID: 36449413). Link

Michèl Gehrke, M.A.
Michèl Gehrke, M.A.

Pressesprecher

Telefon: 0201 56 305 61